Gute Melkqualität schützt die Eutergesundheit

DOSSIER < Une traite de qualité pour des mamelles préservées>

aus: LA CHÈVRE No. 352; Übersetzung: Dr. Angelika Scharnhölz
kursiv: erklärende Anmerkungen / Ergänzungen
(1) Institut de l’Élevage (IE) – französisches Tierzuchtinstitut
(2) INRA – nationales französisches Agrarforschungsinstitut
(3) CAPGENES – Zuchtunternehmen / -organisation

GUTE MELKQUALITÄT SCHÜTZT DIE EUTERGESUNDHEIT

Die Tagungen <Melken und Eutergesundheit> (Anm.: werden vom IE in den wichtigsten frz. Ziegenregionen organisiert) laufen weiter; ihr Ziel: gutes Melkens zu lernen bzw. wieder zu erlernen, um die Eutergesundheit der Ziegen zu bewahren.
Bei Ziegen gehen Eutergesundheit und Melken Hand in Hand. „Um Infektionen abzuwehren, verfügt das Euter über aktive und passive Abwehrmechanismen“, berichtet Alice Hubert vom Institut de l’Élevage (1) anlässlich einer Fachtagung zum Thema „Melken“ im Departement Cher-et-Loire. Die passive Abwehr erfolgt zunächst durch den Milchfluss des Euters, durch den die vorhandenen Bakterien ausgespült werden. Dann spielen noch Tonus und Größe des Schließmuskels eine Rolle, durch die das Aufsteigen der Bakterien begrenzt wird. Und schließlich kann das vom Euter sezernierte Keratin den Kanal komplett verschließen und die Bakterien abfangen. Wenn die Bakterien wieder in das Euter eingedrungen sind, wird die aktive Abwehr mit der Rekrutierung von Granulozyten (Leukozytenart) gestartet; sie versuchen die Bakterien zueliminieren. Deshalb wird der Gehalt dieser somatischen Zellen als indirekter Indikator einer Infektion genutzt.
Das Eindringen von Bakterien wird erleichtert, wenn die Widerstandsfähigkeit der Zitzen geschwächt ist, vor allem durch aggressives Melken. Das Infektionsrisiko ist also abhängig vom Bakteriendruck in der Umwelt, der Expositionszeit (Dauer und Wiederholungen des Kontakts) und der Effizienz der Abwehrmechanismen. Aber auch der Melkprozess kann einen wichtigen Faktor bei der Übertragung von Infektionen darstellen. Doch dieses Risiko ist glücklicherweise beherrschbar, indem man sowohl an der (Einstellung der) Melkmaschine und den Melkpraktiken als auch an der Melkbarkeit der Ziegen arbeitet.
Bei der Auswertung von 51 700 Milchflusskurven von 5 800 Ziegen in 16 Beständen der Departements Deux – Sèvres und Vendée hat Renée de Cremoux vom Institut de l’Élevage beobachtet, dass zwei Drittel der Kurven zwei Plateauphasen aufweisen, d. h. die Entleerung der beiden Euterhälften erfolgt nicht gleichzeitig. „Es besteht nicht immer eine Beziehung zwischen diesem funktionalen Ungleichgewicht und dem optischen Gleichgewicht“, präzisiert der Tierarzt. „Es gibt Euter, deren eine Hälfte sehr viel voluminöser ist als die andere, und deren Milchflusskurven e i n Plateau aufweisen, während die Kurven von Eutern, die symmetrisch aussehen, z w e i Plateaus zeigen.“ Die Ziegen mit Milchflusskurven mit einem Plateau gaben die Milch in einem Zeitraum von 1,22 bis 4,59 Minuten ab (Durchschnittwert: 2,32 Minuten). Schnell melkende Ziegen haben mehr Zellen als langsam melkende Ziegen. „Der Zellgehalt ist vielleicht deshalb höher, weil bei kurzer Melkdauer die Blindmelkzeit verlängert ist“, erklärt Renée de Cremoux. Deshalb sollte man die Melkmaschine besser einstellen oder seine Melkpraktiken oder die Organisation des Melkprozesses besser anzupassen…

Der Melkvorgang an der Schnittstelle von Euter, Melker und Melkmaschine

Parallel dazu bestätigen die Forscherteams des INRA(2), dass es auch eine genetische Korrelation zwischen Milchfluss und Zellgehalt gibt. Ein hoher Milchfluss ist also mit genetischen Prädispositionen für einen erhöhten Zellgehalt (erhöhte Empfänglichkeit für Infektionen) verbunden. Dieser ungünstige Zusammenhang ist bei der Rasse <Alpine> besonders hoch (Alpine: r2 = 0,63; Saanen: r²= 0,39; s. www.idele.fr: <Débit de traite et lien avec les consentrations cellulaires chez la chèvre>).
Bei Ziegen mit schnellem Milchfluss besteht das Risiko, dass ihre Euter stärker malträtiert werden. Denn Versuche an einem Eutermodell zeigen, dass die Vakuumschwankungen an der Zitze bei hohem Milchfluss zunehmen. „Damit steigt das Risiko von Zitzeninfektioneninfolge Milchstau, Verrutschen (der Melkbecher) oder Rückfluss.“ Andererseits beobachtet man auch, dass, abgesehen von Kongestionen, bei Verlängerung der Melkzeit die Häufigkeit von Verletzungen [Zysten, Ringbildung, Quetschungen, Hyperkeratosen; s. Grafik S. 25] steigt.
Mit Hilfe von CAPGENES(3) hat das Institut de l’Élevage die Euter in sechs Gruppen eingeteilt. „Alle zwischen 1995 und 2015 erhobenen Kontrolldaten wurden von einem Biostatistiker analysiert, so dass wir sechs Eutertypen bestimmen konnten“, erklärt Pierre Martin, Direktor von CAPGENES. So stellt man zum Beispiel zwischen den extremen Bodenabstandshöhen im Durchschnitt Unterschiede von 300 000 Zellen / ml fest. „Wir möchten überprüfen, ob die Orientierung des Selektionsschemas in Bezug auf die Eutertypen in die richtige Richtung geht.“
CAPGENES arbeitet seit mehreren Jahren an der Morphologie des Euters und nahm dieses Kriterium mit einer Gewichtung von 30 % in das Zuchtziel auf; kürzlich wurde auch der somatische Zellgehalt mit einem Anteil von 15 % darin aufgenommen. „Unter den in Zukunft zu untersuchenden und vielleicht zu berücksichtigenden neuen Merkmalen ist das erste klar erkennbar“, ergänzt Pierre Martin von CAPGENES. „Es sind die Euterasymmetrien, die in direkter Verbindung zur Erhöhung des Zellgehaltes stehen. Wir haben dieses Merkmal 2018 bei den 30 000 Erstlingsziegen, die wir jedes Jahr kontrollieren, routinemäßig in die Zuchtwertschätzung integriert und hoffen, eine Verbindung zwischen Euterinfektionen und Euterasymmetrie zu finden.“ Das zweite, seit Januar 2019 berücksichtigte Merkmal ist das Vorkommen von Milchzysten im Bereich der Zitzen; sie sind ein Spiegelbild der Qualität der Schnittstelle zwischen Tier und Melkmaschine. Auch dort hat man eine Verbindung mit dem Anstieg des Zellgehaltes gefunden. „Die Integration dieser beiden Kriterien in ein genetisches Konzept wird es in Zukunft ermöglichen, effizienter auf eine Reduzierung des Zellgehaltes zu selektieren“, hofft der Direktor von CAPGENEs.

Wartung der Melkmaschine

Richtige Einstellung und regelmäßige Wartung der Melkmaschine reduzieren das Infektionsrisiko. Man muss aber auch auf die Belüftungsöffnungen und die Abnutzung der
Zitzengummis achten. „Die kleinen Löcher, die kleinen Löcher, immer wieder die kleinen Löcher, … „ (Textzeile eines Chansons von Serge Gainsborough) Die Belüftungsöffnungen sind die kleinen Löcher, durch die eine kontrollierte Luftzufuhr in das Melkzeug erfolgt. Diese Lufteinlässe sind entscheidend für das gute Abfließen der Milch.
Wenn die Belüftungsöffnung verstopft ist, fließt die Milch schlecht ab und der Milchfluss kann stagnieren oder die Milch kann sogar wieder in Richtung der Zitzen aufsteigen. Die Milchtropfen können sich dann an der Oberfläche der Zitzen ablagern und es besteht die Gefahr, dass die bereits vorhandenen Bakterien in das Innerer des Euters eindringen. Das kann vor allem am Ende des Melkprozesses geschehen, wenn der Zitzenkanal geöffnet bleibt.
Um dies zu vermeiden, müssen die Belüftungsöffnungen gereinigt werden, sobald sie verschmutzt oder durch Staub, Kalkablagerungen, Haare oder Fliegen verstopft sind. „Man muss die Belüftungsöffnungen täglich mit einer passenden Nadel säubern, damit die Milch gleichmäßig in den kurzen Milchschlauch abfließt und „Nassmelken“ vermieden wird“, empfiehlt Vincent Moinet, Melkberater bei der LWK Deux – Sèvres. Dafür benutzt man eine normalerweise vom Hersteller mitgelieferten Nadel. Wenn die Nadel zwei Spitzen hat, verwendet man (für Ziegenmelkanlagen) die Seite mit dem kleinsten Durchmesser (i. Allg. 0,5 mm); die andere Seite ist für Rindermelkanlagen bestimmt. „Benutzen Sie keine Büroklammer“, ergänzt Vincent Lictevout von <Touraine Conseil Élevage> (Zuchtberatung, Datenerfassung), „denn der Durchmesser ist zu groß.“ „Und auch keine Nähnadel, denn damit besteht die Gefahr, dass man den Schlauch perforiert“, fügt Jean – Claude Sabourin von der LWK Indre hinzu.

Zitzengummis regelmäßig wechseln
Beim Vergleich der Daten der OPTI’TRAITE – Kontrollen (regelmäßige Kontrolle der Montage, des Zustandes und der Funktionsweise einer Melkanlage) hat Alice Hubert vom Institut de l’Élevage festgestellt, dass die Melkzeuge ungenügend gewartet werden. „Bei 55 % der OPTI’TRAITE – Kontrollen wurde festgestellt, dass der Zustand der Melkzeuge nicht den Anforderungen genügt, entweder waren Belüftungsöffnungen verstopft oder vergrößert, es gab Undichtigkeiten am Ventil oder die Verbrauchsmaterialien waren abgenutzt.“ Und gerade diese Probleme mit dem Melkzeug bewirken einen Anstieg des durchschnittlichen Zellgehaltes.

Immer mehr hoch verlegte Milchleitungen
Abgenutzte Verbrauchsmaterialien führen zu einem schlechteren Halt der Zitzengummis an den Zitzen und zu vermehrtem Lufteinlass. Abgenutzte Zitzengummis sind schwieriger zu reinigen und das Risiko von Zitzeninfektionen steigt. „Die einzige Verbindung zwischen dem Tier und der Maschine sind die Zitzengummis“, daran erinnert Damien Girard, Melkberater bei der LWK Deux – Sèvres. „Deshalb muss man gut auf diese Stelle achten, d. h. zur richtigen Zeit die Zitzengummis auswechseln und aufpassen, dass die Zitzengummis nicht verdrillt sind.
Wenn auch französische Melkanlagen meistens eine gute Kapazität der Milchleitung und eine genügend große Vakuumreserve aufweisen, so stellen die Experten doch eine
Vergrößerung der Anzahl der Melkplätze in Frage. 2016 verfügten 13 Prozent der Melkanlagen über 24 bis 32 und 9 % über mehr als 32 Melkplätze. Wenn man die Melkmaschinendaten mit den Ergebnissen der Zellzählung in den Milchtanks abgleicht, stellt man fest, dass Anlagen mit mehr als 20 Melkplätzen im Durchschnitt einen um 120 000 Zellen/ml erhöhten Zellgehalt aufweisen. „Liegt das vielleicht an einer Reihe ungeeigneter Melkzeuge, die ein erhöhtes Blindmelkrisiko bedingen?“, fragt sich Alice Hubert vom Institut de l’Élevage. „Liegt das vielleicht an der ungenügenden Kapazität der Melkmaschinen, die ein unstabiles Vakuum erzeugen?“
Hoch verlegte Milchleitungen werden auch immer beliebter; 2012 lag ihr Anteil bei 12 %, 2016 waren es bereits 16 %. Aber eine hochliegende Milchleitung kompliziert den Milchkreislauf und die Fluktuationen befinden sich schneller im Risikobereich, wenn man nicht alles andere unter Kontrolle hat. Die Bestände mit hoch verlegten oder halbhoch verlegten Milchleitungen haben übrigens im Durchschnitt 50 000 Zellen/ml mehr. Die Einstellung der Melkmaschine ist ebenfalls wichtig. Wenn man sich von den Empfehlungen für eine Pulszahl von 90 Zyklen/min entfernt, steigt die Zellzahl: bei 85 Pulszyklen/min um mehr als 300 000 Zellen und bei mehr als 105 Pulszyklen/min um fast 250 000 Zellen.

Die richtige Pulszahl und das richtige Vakuumniveau
Das Projekt MAMOVICAP (interdisziplinäres u. artenübergreifendes Forschungsprojekt des frz. LW – Ministeriums zur Feststellung der Beziehung zw. Eutermorphologie und Zellzahlen) hat übrigens gezeigt, dass an den Zitzen vermehrt Kongestionen auftreten, wenn die Pulsationsqualität zu wünschen übrig lässt.
Eine andere Schwachstelle bei der Einstellung von Ziegenmelkanlagen: Das Melkvakuum ist nicht immer an die Konfiguration der Milchleitung angepasst. Die Empfehlungen von 36 – 38 kPa bei hoch verlegten und 38 – 40 kPa bei tief und halbhoch verlegten Milchleitungen werden nicht immer eingehalten, entweder absichtlich oder aufgrund einer Fehlfunktion.
So hatten die Ziegenbestände, deren Melkanlage ein unzureichendes Vakuum aufwiesen, am Ende der OPTI’TRAITE – Kontrolle im Durchschnitt 300 000 Zellen/ml mehr als die mit einer korrekten Vakuumeinstellung. Ein ungenügendes Vakuum – z.B. verursacht durch ein Luftleck – kann die Melkdauer verlängern und Milchstau verursachen. Andererseits führt ein zu hohes Vakuum, das z. B. durch einen defekten Regler verursacht wird, zu aggressivem Melken.
Und schließlich haben die Kontrollen von DEPOS‘TRAITE (Kontrolle von automatischen Melkzeugabnahmesystemen) gezeigt, dass in 78 % der Fälle die automatische Melkzeugabnahme nicht zufriedenstellend ist. Bei nicht angeglichenen oder verschmutzten Milchflusssensoren sind die Abnahmeschwellenwerte an den verschiedenen Melkplätzen unterschiedlich, und daraus resultiert für die Ziegen ein von Mal zu Mal unterschiedlich langer Melkvorgang.

Melkkontrolle und Melkberatung, um die Probleme aufzuzeigen
Die beste Lösung zur Überprüfung der eigenen Melkmaschine sind und bleiben die OPTI’TRAITE – Kontrollen. „Das ist eine Kontrolle des Ist – Zustandes“, erklärt Jean – Louis Poulet, Leiter des Forschungs- und Entwicklungsprojektes „Melken“ am Institut de l’Élevage. „Es gibt vorab nichts vorzubereiten, da man gerade die Fehler der Maschine beim Routinebetrieb sehen will.“
Die Kontrolle ist und bleibt für die Entdeckung von Schwachpunkten das beste Mittel, aber das darf nicht alles sein: Die Empfehlungen müssen auch befolgt werden. „Zu oft macht man bei der nächsten Kontrolle dieselben Beobachtungen“ bedauert der Experte. Wenn die Probleme nach wie vor bestehen, kann eine Melkberatung angefordert werden, wie sie Damien Girard von der LWK Deux – Sèvres, in Zusammenarbeit mit der Milchkontrolle durchgeführt hat. „Die gemeinsame Tätigkeit von einem Melkberater und einem Melkmaschinenberater ist sehr interessant“, sagt Damien Girard. „Der Tierzuchtberater stellt sofort die Zitzenprobleme fest und der Melkmaschinenspezialist entdeckt schneller die Probleme an den Zitzengummis. Dann ist es wesentlich einfacher, die während des Melkens aufgetretenen Probleme zu erklären und gemeinsam mit dem Tierhalter konkrete Lösungen zu finden.“

Bildunterschriften:
S. 24: Die Öffnungen müssen gereinigt werden, bevor sie verschmutzen. Die Integration dieser Melkroutine in den täglichen Arbeitsablauf beansprucht weniger als eine Minute pro Tag.
S. 25: Mit diesen alltäglichen Gebrauchsgegenständen kann man einen guten Milchabfluss erreichen und Nassmelken vermeiden.
S. 26: Zitzengummis und Schläuche müssen entsprechend den Empfehlungen der Hersteller oder, wenn nötig, auch früher ausgewechselt werden.

Melkgewohnheiten müssen geändert werden

Der dritte Faktor, der beim Melken die Eutergesundheit beeinflusst, ist der Melker. Schlechte Gewohnheiten, vor allem das Blindmelken, müssen erkannt und vermieden werden, um die Euter gesund zu erhalten.
Man gewöhnt sich beim Melken rasch bestimmte Gewohnheiten an. Und das sind leider nicht immer die guten: Blindmelken, erneutes Ansetzen des Melkzeugs, Nachmelken,
„Wegreißen“ der Melkbecher… Doch es ist schwierig, sich selbst ohne einen Blick von außen in Frage zu stellen. Glücklicherweise kann man die schlechten Melkgewohnheiten durch Besuche der Melkberater, bei denen Tier, Melker und Melkmaschine beobachtet werden, entdecken. „Wir betrachten viel mehr das Euter ihrer Ziegen als Sie selbst“, stellt Vincent Lictevout von der Zuchtberatung Touraine fest.
„Entscheidend ist die Untersuchung der Zitzen“, betont Renée de Cremoux vom Institut de l’Élevage. Dabei kann man sich vergewissern, dass keine aggressiven Melkbedingungen
vorliegen. Durch Palpation und Adspektion der Zitzen können Verletzungen des Schließmuskels oder des Zitzenschaftes entdeckt werden: Quetschungen, Kongestion
(Ansammlung von Blut- und Lymphflüssigkeit), Ringbildungen, Milchzysten, Hyperkeratosen … All diese Befunde weisen auf aggressive Melkbedingungen hin.

Melkreihenfolge und Vakuumabsperrung vor der Melkzeugabnahme
Ursache können eine falsche Einstellung der Melkmaschine oder nicht passende Zitzengummis (zu weit, zu eng, zu kurz, deformierter Kragen), aber auch aggressives Melken oder der unangemessene Gebrauch der Melkausrüstung sein. Vorsicht ist vor allem beim Ansetzen und Abnehmen („Wegreißen“), beim Blindmelken, beim Nachmelken oder beim erneuten Ansetzen des Melkzeugs geboten. Um diese Melkpraktiken zu objektivieren, kann man mit Hilfe eines Messgerätes namens <VaDia> (BioControl) während des Melkens Tests durchführen. <VaDia> misst präzise die Vakuumschwankung in den Melkzeugen, und so kann das Gerät Blindmelken, andere Melkpraktiken oder Störfälle objektiv feststellen.

Notieren, was die Milchqualität beeinträchtigen kann
Bei einem unterhaltsamen Workshop während einer Melktagung in der Region Centre wurden Ziegenhalter und Berater aufgefordert, alles zu notieren, was die Milchqualität beeinträchtigen könnte. Mit dieser Übung wird zum Beispiel daran erinnert, dass die Eutermassage die Beendigung des Melkvorgangs stört. Außerdem „muss man das Vakuum vor der Abnahme des Melkzeugs unterbrechen. Wenn kein automatisches Melkzeugabnahmesystem vorhanden ist, kann man das durch Abknicken des Milchschlauches, eine Klemme oder, noch ergonomischer, mit Hilfe eines Ventils erreichen“, erklärt Bertrand Bluet von der LWK des Departements Indre.
Es wurde auch noch an andere Praktiken erinnert: zum Beispiel daran, wie wichtig es ist, eine Melkfolge einzuhalten, d. h. Ziegen, die zum ersten Mal gelammt haben und ganz allgemein alle gesunden Ziegen zuerst zu melken. Auch das Vormelken ist eine nützliche Methode, denn damit können Euterentzündungen frühzeitig erkannt werden. „Bei mehr als fünfzehn Melkplätzen pro Melker ist es schwierig, Blindmelken zu vermeiden, ohne zwischen den Melkplätzen (hin- und herzulaufen), und das gilt vor allem am Ende der Laktation, wenn die Melkzeiten kürzer werden“, merkt Alice Hubert vom Institut de l’Élevage an.

Bildunterschriften S. 27:
· Das Vakuum muss unterbrochen werden, bevor die Melkbecher von den Zitzen abgenommen werden.
· Bei behutsamem Anlegen der Melkbecher werden die Zitzen nicht abgeknickt.

Plädoyer für gut ausbalancierte Euter

Pierre – Guy Marnet, Professor an der französischen Hochschule Agrocampus Ouest, fordert, bei der Selektion die Morphologie des Euters stärker zu berücksichtigen und gleichzeitig die Einstellungen für die automatische Melkzeugabnahme zu ändern.
Bei der Berechnung des Zuchtwertes wird die Milchleistung in den Vordergrund gestellt, und erst seit 2012 wird auch der Zellgehalt der Milch erfasst. Doch die morphologischen Merkmale werden nur mit 30 Prozent gewichtet. In anderen Ländern, z. B. in Nordeuropa, ist die Euterform viel homogener und melkmaschinentauglicher als in Frankreich. Deshalb schlagen wir beim kombinierten Zuchtwert für Ziegen eine Übergewichtung der Eutermorphologie vor, indem eine Note für die gleichmäßige Ausbildung der Euterhälften oder sonstige Merkmale, die damit korrelieren, hinzugefügt wird. In den Betrieben setzt sich die Messung des Milchflusses mit dem Lactocorder zunehmend durch, und so könnte nach Überprüfung der Erblichkeit auch das Merkmal „funktionales Ungleichgewicht des Milchflusses“ in den Index integriert werden.

Die Züchter müssen ihrerseits aber auch diejenigen Ziegen auswählen, die die beste Euterform aufweisen und deren Euter sich während der Laktationszeit nicht zu sehr verformt. Auch wenn man nicht obligatorisch an der Milchkontrolle teilnimmt, kann die Kontrolle mit dem Lactocorder oder – wenn dieser nicht vorhanden ist – auch die gewissenhafte Beobachtung der Euterentleerung dazu beitragen, Tiere mit einem zu ungleichmäßigen Milchfluss zu ermitteln. Denn die Milchflusskurve ist so etwas wie eine Unterschrift des Tieres, und eine einzige Kontrolle pro Jahr vermittelt einen guten Eindruck von der diesbezüglichen Eigenschaft des Tieres. Sie ermöglicht auch, für bestimmte Ziegen eine durchschnittliche Milchflussmenge zu beziffern; zu langsam melkende Ziegen sollten aus der Herde eliminiert werden.

Bei den Melkmaschinen müssen die Einstellungen für die automatische Melkzeugabnahme optimiert werden. Die meisten der in Ziegenbeständen verwendeten Systeme arbeiten mit einem Milchflussschwellenwert; unterhalb dieses Wertes wird die Vakuumzufuhr unterbrochen. Aber nur wenige Züchter können die Frage nach ihrer Abschaltschwelle beantworten. Und viele kennen nicht die Funktionsweise dieser Einrichtung. Die von den Installateuren und Herstellern empfohlenen Milchflussschwellenwerte für Ziegenmelkanlagen liegen oftmals zwischen 100 und 200 ml/min. Diese Zahl ist durch die einfache Halbierung der für Rinder empfohlenen Einstellung entstanden. Unsere Forschungsarbeiten zeigen aber, dass eine Erhöhung des Schwellenwertes auf bis zu 400 ml/min den Blutstau (Kongestion) in den Zitzen signifikant reduziert und gleichzeitig den Melkvorgang verkürzt.

Ein Appell für geeignetere Melkzeuge
Ein höherer Schwellenwert würde auch die visuelle Identifizierung von Eutern mit nungleichmäßiger Milchabgabe ermöglichen. Denn bei einer höheren Abschaltschwelle würde der Melkvorgang bei der Entleerung der ersten Euterhälfte beendet. Damit würde das Blindmelken der am schnellsten ausgemolkenen Euterhälfte verhindert und Milch in der Euterhälfte mit längerer Entleerungszeit verbleiben. Somit könnte der Ziegenhalter Tiere mit einem zu großen Ungleichgewicht leicht erkennen. Bei den anderen Ziegen würde etwas Milch im Euter verbleiben, was aber bei gesunden Tieren keine Auswirkung auf die spätere Milchproduktion zu haben scheint.
Doch auch die Hersteller könnten sich bei der Entwicklung von Melkzeugen mehr anstrengen. Eine Vereinheitlichung der Euterform der Ziegen sollte die Fabrikanten
anspornen, geeignetere Melkzeuge anzubieten – und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Formgestaltung und ihres Gewichtes als auch ihrer Durchflusskapazität.
Pierre – Guy Marnet u. Benoît Monnerie, Agrocampus Ouest

Hypothesen zum Anstieg des Milchzellgehalts

Warum sollten heute die Euter sensibler oder stärker beansprucht sein? Von der offensichtlichen Empfindlichkeit, die mit dem gestiegenen Milchleistungspotential
einhergeht, einmal abgesehen – was hat sich verändert?

Mehr Ziegen, mehr Arbeit, weniger Sorgfalt bei der Arbeit?
Innerhalb von 16 Jahren ist in Frankreich die Herdengröße um 12 Prozent angewachsen. Je größer die Herden, desto mehr Tiere werden auf die gleiche Art und Weise gemolken. Aber die schnell oder langsam melkenden Tiere oder Tiere, die nicht den gewünschten morphologischen Kriterien entsprechen (ungleiche Euterhälften, insbesondere sehr unterschiedliche Zitzenformen) müssen „à la carte“ gemolken werden, d.h.: behutsameres Anlegen des Melkzeugs und / oder Beobachtung während des Melkvorgangs. Da sich jedoch die pro Tier aufgewendete Arbeitszeit und Aufmerksamkeit verringern, werden sich bei diesen Tieren die Probleme verschärfen.
Die Reduzierung der pro Tier aufgewendeten Zeit wird glücklicherweise durch die technische Entwicklung der Melktechnik, wie zum Beispiel die automatische Melkzeugabnahme, kompensiert. Aber diese Möglichkeiten werden noch nicht mehrheitlich von den Betrieben genutzt, und diese Geräte müssen gut eingestellt sein, was nicht immer der Fall ist.

Mehr lange Laktationen
In den Betrieben nimmt die Zahl der Tieren in langer Laktation entsprechend zu, und diese Tiere weisen einen höheren Zellgehalt auf. Dabei ist der Anstieg des Zellgehaltes umso erheblicher, je stärker die Euter infiziert und entzündet sind. Für lange Laktationen werden häufig diejenigen Tiere mit der höchsten Milchleistung ausgewählt, und die sind auch anfälliger für schwere Euterentzündungen. Deshalb müssen Ziegenhalter, die sich für dieses Verfahren entschieden haben, eine strenge Selektion der am geringsten infizierten Tiere durchführen.

Bei <Monotraite> starke Ausscheider eliminieren
<Monotraite> hat nur geringe Auswirkungen auf den Zellgehalt. Doch die Züchter müssen starke Ausscheider eliminieren, denn diese können den durchschnittlichen Zellgehalt der Herde deutlich erhöhen.

Weidegang hat Auswirkungen auf den Zellgehalt
Auch wenn die Weidehaltung von Ziegen in Frankreich empfohlen wird, der Weideauftrieb trägt zur Erhöhung des Zellgehaltes bei. Das könnte auf das Verbringen der Tiere an einen anderen Ort oder die starke Bewegung des Euters zurückzuführen sein, was auch in diesem Zusammenhang für eine Verbesserung der Euteraufhängung spricht. Allerdings ist der Anstieg des Zellgehaltes umso geringer und kurzfristiger, je gesünder die Euter beim Austrieb sind.

Funktionales Ungleichgewicht ist nicht unbedingt sichtbar
Dass ein Euter symmetrisch ist, heißt jedoch nicht, dass die beiden Euterhälften gleichmäßig entleert werden, und deshalb besteht auch hier die Gefahr des Blindmelkens. Solche funktionalen Ungleichgewichte weisen immerhin 10 bis 20 Prozent der Ziegen auf. Hinzu kommen morphologische Asymmetrien, durch die, wie wir auf den Höfen festgestellt haben, die Zahl der Risikotiere um fast 25 Prozent erhöht wird. Doch dank der tragbaren Milchmengenmessgeräte vom Typ Lactocorder gäbe es die Möglichkeit, das Ende von Milchflusskurven, die dieses Ungleichgewicht zeigen, zu erkennen. Doch leider gibt es zurzeit für Ziegen kein Milchmengenmessgerät, mit dem diese (ungleichmäßigen) Milchflüsse (einzelner Euterhälften) erfasst werden könnten.

Zitzen, die sich mehr oder weniger gut an das Melkzeug anpassen
Die Form der Zitzen (konisch, kurz oder lang zylindrisch, kugelförmig) wird beim morphologischen Index für Ziegen nicht wirklich berücksichtigt. Doch die Zitzenformen sind vielfältig und passen sich mehr oder weniger gut an die Melkausrüstung an. Dadurch kann es zu Quetschungen, Torsionen oder Wärmeentwicklung kommen, und Zitzenschäden, wie zum Beispiel die bei konischen Zitzen allzu oft zu beobachtenden Schnürringe, nehmen zu.
Einheitliche Zitzenformen innerhalb einer Herde wären eine gute Lösung, um die Wahl der für die überwiegende Form geeigneten Zitzengummis oder des passenden Melkzeugtyps zu erleichtern und so das Risiko von Gewebeschäden zu reduzieren.
nach Pierre – Guy Marnet und Benoît Monnerie, Agrocampus Ouest