Der Wolf – eine Bedrohung für Milcherzeuger?

Der Wolf – eine Bedrohung für Milcherzeuger?

Interview mit Seb Schäfer, Sprecher der Vereinigung der Schaf- und Ziegenmilcherzeuger, über die möglichen Probleme bei Wolfsübergriffen auf melkende Schaf- und Ziegenhaltungen.

Frage: Es gibt in Deutschland nur einige Hundert Schaf- und Ziegenmilcherzeuger. Bedeutet die Rückkehr des Wolfes eine Gefahr für dieseBetriebe?
Seb Schäfer: Der Wolf stellt für die Melkbetriebe keine größere oder kleinere Gefahr dar als für jeden anderen Schaf- oder Ziegenhalter. Es gibt zwar einige große Milchziegenbetriebe gerade in den östlichen Bundesländern, die ihre Ziegen weitgehend im Stall halten, da ist die Gefährdung sicher gering. Aber die meisten Milcherzeuger haben Tiere auf der Weide, und wenn es nur Jungtiere oder Trockensteher sind. Die müssen dann genauso aufwändig geschützt werden wie Fleisch- oder Landschafe.

Frage: Wo liegt dann das besondere Problem für Melkbetriebe?
Seb Schäfer: Milchschafe und Milchziegen werden im Melkbetrieb wegen ihrer Milch gehalten, und diese Milch hat einen hohen Wert. Fallen Tiere aus, ob durch eine Seuche oder durch den Wolf, das spielt keine Rolle, dann fehlt diese Milch und das Einkommen daraus. Problematisch ist daran, dass die Betriebe den Ausfall nicht einfach kompensieren können, indem sie neue Milchtiere als Ersatz kaufen. Wir haben in Deutschland keinen Markt für laktierende Ziegen oder Schafe, bestenfalls in Ausnahmefällen können gelegentlich Tiere aus aufgebenden Beständen übernommen werden. Aber das kommt selten vor – vom Krankheitsrisiko bzw. der Maedi/CAE-Problematik in solchen Fällen mal ganz abgesehen. Die Schaf- und Ziegenmilchbranche in Deutschland ist klein, nicht zu vergleichen mit dem Milchviehbereich.

Frage: Wie werden Milchtiere denn bisher entschädigt?
Seb Schäfer: Nach den uns vorliegenden Informationen hat bisher niemand über einen solchen Fall nachgedacht, denn er ist noch nicht vorgekommen. Wir wollen hoffen, dass das auch lange so bleibt, würden aber gerne frühzeitig zum Nachdenken darüber anregen. Die Erfahrungen bei der Blauzungenkrankheit haben uns aber gezeigt, dass die damals gezahlten Entschädigungen nur einen Bruchteil der tatsächlichen Einkommensausfälle abgedeckt haben. Die Milchschafe oder -ziegen wurden wie alle anderen Tiere mit dem gemeinen Wert entschädigt, das waren damals ca. 100 bis 150 Euro. Der Ertragsausfall liegt schnell bei dem 10-fachen dieser Summe.

Frage: Wird denn auch ein Wolfsschaden nach dem Tierseuchenrecht entschädigt?
Seb Schäfer: Nein, zumindest in Sachsen und Brandenburg nicht. Dort wird ein „Schadensausgleich“ gezahlt, und dazu können auch Folgekosten und Mehraufwendungen berücksichtigt werden. Grundlage ist der Nachweis über z.B. den Buchführungsabschluss. Nach unseren Berechnungen kann ein solcher Schaden z.B. bei einer frisch abgelammten Milchziege mit guter Milchleistung bei über 1400 Euro liegen. Insofern ist ein sehr guter, wolfssicherer Zaun wirklich wichtig, und wir sind froh, dass es dazu auch Fördermittel gibt. Verrückt ist natürlich, dass auch hier die „de minimis“ Regelung greift, aber das ist ein anderes Thema.

Frage: Wie hoch ist denn der Wert einer Milchziege oder eines Milchschafes, wenn es denn Ersatztiere zu kaufen gäbe?
Seb Schäfer: Das ist schwer genau zu beziffern, wegen der geringen Tierzahlen die tatsächlich gehandelt werden. Aber für gute Ziegen werden durchaus zwischen 150 und 250 Euro gezahlt, und für Milchschafe gilt dasselbe. Biotiere kosten noch einmal mehr, da liegen die Preise für Jungtiere schon um die 200 Euro. Französische Milchschafe oder -ziegen mit Abstammungsnachweis kosten um die 300 Euro plus Transportkosten, und sie sind nur auf Vorbestellung erhältlich. Das ist schon ein anderes Niveau als bei Landschafen.

12.04.2014 Interview mit Seb Schäfer © Schafzucht