Was fehlt, ist die Schafmilch!

Deutschland ist Entwicklungsland

Die deutsche Schaf- und Ziegenmilcherzeugung steht noch am Anfang. Was die VSZM verändern möchte, teilte Sebastian Schäfer im Telefon-Interview mit.

Wochenblatt: Warum wurde die Vereinigung der Schaf- und Ziegenmilcherzeuger (VSZM) gegründet?
Schäfer: Seit drei Jahren ist so eine Vereinigung im Gespräch. Auf der Biolandtagung 2009 gab es damals zwei Workshops. Einer hatte das Thema Ziegenzucht und deren Probleme, der andere das Thema Chancen und Risiken in der Milchschafzucht. Damals kam heraus, dass die melkenden Betriebe züchterisch weniger bewerkstelligen und leisten.

Wochenblatt: Wieso engagieren sich Betriebsleiter von melkenden Betrieben weniger in Zuchtverbänden und was sind die Folgen?
Schäfer: Ihnen fehlt die Zeit dazu. Dort engagieren sich eher Halter, die Tiere aus Liebhaberei züchten. Die Zuchtziele professioneller Ziegenund Schafhalter sind dann oft andere, als die der Zuchtverbände. Um für die Milchproduktion züchterisch Ziele festzulegen, stellte sich ein Zusammenschluss als sinnvoll heraus.

Wochenblatt: Sind die züchterischen Probleme die einzigen Beweggründe gewesen?
Schäfer: Nein. Neben dem stockenden Zuchtfortschritt ist die unsichere Datenlage für melkende Betriebe mit Kleinwiederkäuern ein weiteres Problem. Es gibt zwar Zahlen zur Milchproduktion, nur ist es schwierig sie zu finden und zusammenzutragen. Das soll mit einem zentralen Organ vereinfacht werden. Es gilt die Informationen zu zentralisieren.

Wochenblatt: Wie ist es um die Wirtschaftlichkeit der Schaf- und Ziegenmilchbetriebe bestellt?
Schäfer: Auch dazu ist deutschlandweit zu wenig Datenmaterial vorhanden, um horizontale Betriebsvergleiche zu ermöglichen. Doch die Berechnung der Wirtschaftlichkeit für die eigene Produktion ist gerade für Haupterwerbsbetriebe wichtig. Momentan gibt es viele Einzelkämpfer, die nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ über die Runden kommen. Unter diesem Gesichtspunkt sind aber schon viele Betriebsleiter und gerade Neueinsteiger gescheitert.

Wochenblatt: Gibt es trotzdem schon Ansätze, die die eigene betriebliche Wirtschaftlichkeit mit der von anderen vergleicht?
Schäfer: Um die Molkerei Scheitz in Andechs haben Ziegenmilch-Lieferanten angefangen einen regelmäßigen Austausch zu pflegen. Die gute Entwicklung dieser Betriebe zeigt, dass die Kommunikation untereinander für jeden viel bringt.

Wochenblatt: Gibt es noch weitere Schwierigkeiten für Milchproduzenten der Kleinwiederkäuer­szene?
Schäfer: Es gibt zu viele Vorurteile – sowohl positive als auch negative. Sie verhindern manchmal eine objektive Sicht auf die Milchproduktion für Kleinwiederkäuer.

Wochenblatt: Was verstehen Sie darunter?
Schäfer: Eine Reihe von Autoren musste ihre Annahmen in Diplomarbeiten revidieren, nachdem sie sich intensiver mit der Praxis auseinander gesetzt haben.

Wochenblatt: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Schäfer: Eine angenommene Milchleistung von Schafen mit 500 Liter im Jahr ist sehr hoch gegriffen. Wer vor dem Einstieg von solchen Zahlen ausgeht, erleidet Schiffbruch, wenn die Schafe dann doch nur 250 Liter geben. Selbst Spitzenbetriebe ermelken im Herdendurchschnitt um die 400 Liter pro Jahr. Mir ist klar, dass man sich mit so einer Aussage bei den Zuchtverbänden nicht beliebt macht. Die stehen in Konkurrenz mit den europäischen Züchtern und möchten Tiere mit möglichst hoher Milchleistung verkaufen.

Wochenblatt: Kommen wir zu den Zielen der Vereinigung. Welche sind das?
Schäfer: Deutschland ist ein Entwicklungsland in Sachen Schaf- und Ziegenmilchproduktion. Da können wir von Ländern wie Frankreich, Österreich und den Niederlanden noch viel lernen.

Wochenblatt: Wie kann das Lernen aussehen?
Schäfer: Der Kontakt mit anderen Betrieben steht im Vordergrund. Dazu soll auch ein internationaler Austausch stattfinden. Ein Blick über den Tellerrand schadet keinem und erweitert den eigenen Horizont. Mit den Holländern arbeiten wir schon zusammen und haben interessante Anregungen für die Milcherzeugung bekommen.

Wochenblatt: Und was tut die Vereinigung in Deutschland?
Schäfer: Innerhalb Deutschlands kann es einen Erfahrungsaustausch der Betriebsleiter zum Beispiel zur Kitzaufzucht geben. Die Vereinigung möchte die Milcherzeuger stärker vernetzen. Wer in ein Netzwerk eingebunden ist, kommt leichter an die wesentlichen Informationen und kann so seinen Betrieb erfolgreich führen.

Wochenblatt: Was heißt das konkret?
Schäfer: Arbeitsgruppen können zum Beispiel die wirtschaftlichen Zahlen der Betriebe auswerten, vergleichen und die Ergebnisse den Teilnehmern zur Verfügung stellen. Auch von Seiten der Beratung besteht auf diesem Gebiet großes Interesse.

Wochenblatt: Was gibt es noch zu tun?
Schäfer: Die Vereinigung möchte auch Erzeugung und Vermarktung zusammenbringen. Das heißt wir vertreten in erster Linie Betriebe, die mit der Milcherzeugung ihr Einkommen erwirtschaften. Bisher haben wir uns in der Richtung wenig engagiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass nicht viel passiert, wenn wir Erzeuger nicht selber aktiv werden. Dafür ist nun der erste Schritt gemacht.

Bayrisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 22.02.2013, Interview: Eva Schuster